Voids

Der Einfluß der kosmologischen Konstanten auf die Vakuumblasen im expandierenden Universum

Einleitung

Motivation

Die Welt, wie sie sich uns heute darstellt, ist hochgradig inhomogen. Aber schon allein dies zu erklären stellt für die Urknalltheorie ein nicht zu unterschätzendes Problem dar, denn wenn das Universum aus einem unendlich kleinen Punkt heraus entstanden sein soll, der ja ob seiner fehlenden Größe keinerlei innere Struktur haben kann, sollte plausiblerweise das Universum auch in seiner Anfangsphase eine gleichförmige Materieverteilung aufgewiesen haben. Wodurch sollen nun in einem Raum, der vollkommen gleichmäßig mit Materie erfüllt ist, Strukturen entstehen, die letzten Endes der heutigen Welt entsprechen?

An dieser Stelle wird zur Erklärung die Quantenmechanik herangezogen, die das statistisch wahrscheinliche Auftreten von plötzlichen Dichteschwankungen vorhersagt, wobei aufgrund der Heisenbergschen Unschärferelation in je kleineren Raumbereichen desto größere Dichteunterschiede auftreten können. Auch für das heutige Weltall geht man davon aus, daß es bei entsprechend großen Distanzskalen weitestgehend homogen ist, im Sinne des kosmologischen Prinzips (siehe auch Abschnitt Robertson Walker Metrik), daß kein Raumbereich gegenüber anderen bevorzugt ist. Es bleibt nun noch die Frage, wie groß damals zu Beginn des Universums die Dichteschwankungen wirklich waren und ob sich damit die heute beobachtbaren Strukturen erklären lassen.

Dazu muß man in Betracht ziehen, daß das Weltall in seiner Entwicklung verschiedene Stufen durchwandert hat. Vor der jetzigen materiedominierten Ära lag die Phase der strahlungsdominierten Ära, in der die Energiedichte der elektromagnetischen Strahlung (der Photonen) größer war als die Energiedichte der Materie. Der Übergang zwischen diesen beiden Phasen fand ca. 300000 Jahre (je nach Weltmodell unterschiedliche Zeiten) nach dem Urknall statt, als das Weltall nur etwa ein Tausendstel seiner heutigen Größe hatte. Damals war die Temperatur des Weltalles mit ca. 3600K etwa tausendmal größer als heute. Dies entspricht gerade derjenigen Temperatur, bei der Wasserstoff ionisiert werden kann. Anders ausgedrückt: Unterhalb dieser Temperatur können freie Elektronen von Protonen gebunden werden. Man nennt diesen Vorgang auch `Rekombination' und den Zeitpunkt des Übergangs von der strahlungsdominierten Ära zur materiedominierten Ära die `Rekombinationsära'. Die Bedeutung dieses Zeitpunktes liegt darin, daß das bis dahin optisch dicke Universum `mit einem Schlag' durchsichtig wurde. Das heißt aber noch nicht, daß ein hypothetischer Beobachter zur damaligen Zeit auf einmal das gesamte Universum hätte durchblicken können, denn das Licht braucht ja aus einer gewissen Entfernung eine entsprechende Zeit, um beim Beobachter einzutreffen. Folglich kann der Beobachter nach einem Jahr gerade das Durchsichtigwerden des Weltalls in einer Entfernung von einem Lichtjahr (ca. 10 Billionen km) sehen, das dort in Wahrheit bereits ein Jahr früher stattgefunden hat. Man bezeichnet diese Entfernung auch als die `Sichtbarkeitsgrenze'. Heute, 12 Milliarden Jahre nach dem Urknall (der Zahlenwert ist dabei dem `Standardmodell' mit H0 = 50 km/s/Mpc, \Lambda=0 entnommen und muß nicht unbedingt der Realität entsprechen) und somit ca. 12 Mrd. Jahre nach der Rekombination, kann man dementsprechend bis in eine Entfernung von 12 Mrd. Lichtjahren zurückblicken. Was man dort sieht, sind die Überreste der Strahlungsära, die uns wie eine strahlende Feuermauer mit einer Temperatur von ca. 3K erscheint, wobei diese geringe Temperatur den Begriff `Feuermauer' wieder etwas relativiert. (Anmerkung: Die Sichtbarkeitsgrenze von 12 Mrd. Lichtjahren ist dabei unabhängig von der geometrischen Größe des Weltalls; auch wenn das Weltall eine unendliche räumliche Ausdehnung haben sollte, kann man dennoch nur in eine Entfernung von maximal 12 Mrd. Lichtjahren blicken - soferne das Weltall nicht älter als vom Standardmodell angenommen ist).

Damit bietet sich nun die Möglichkeit, die Dichteschwankungen zum Ende der Strahlungsära zu messen. Diese Aufgabe erfüllte der 1989 gestartete Satellit COBE (COsmic Background Explorer). Eines der ersten wichtigen Ergebnisse war, daß dieser Strahlungshintergrund wirklich von bemerkenswerter Isotropie ist, wie es die Urknalltheorie erwarten ließ. Umso wichtiger war es aber auch, Unregelmäßigkeiten feststellen zu können, die als Saatkörner für die heute sichtbaren Strukturen dienen konnten. Erst wiederholte Messungen (um den Empfindlichkeitsbereich steigern zu können), konnten schließlich den Beweis erbringen, daß der Strahlungshintergrund tatsächlich nicht vollkommen gleichmäßig ist. Zusätzlich zur Dipolstruktur, die durch die Bewegung unserer eigenen Galaxis relativ zum kosmischen Hintergrund von ca. 600km/s zustande kommt, konnten Temperaturschwankungen bis zur Größenordnung 30 10-6K (bei einer mittleren Temperatur von 2.735K) gemessen werden. Damit war zumindest ein Kapitel der beobachtenden Kosmologie abgeschlossen.

Daneben bleiben natürlich noch theoretische Modelle auszuarbeiten, die die Veränderung von Dichteschwankungen im expandierenden Universum beschreiben sollten. Naheliegend ist der Schritt, von Materieklumpungen auszugehen, die von der allgemeinen Expansion abkoppeln und an die sich weitere Materie kondensieren konnte. Ein Ansatz hierzu wird im Abschnitt `Einpassung der Schwarzschildmetrik' vorgestellt, wo von einer sphärisch symmetrischen Massenansammlung ausgegangen wird, die von einem Vakuumbereich umgeben ist und in ein homogenes Weltall eingebettet wird. Dabei stellt sich heraus, daß ohne weiteres die Materie in einzelne, isolierte Raumbereiche kontrahieren könnte, ohne daß sich dadurch an der Gesamtheit des Universums etwas ändern würde. Solche dichten Bereiche würden somit - wie gewünscht - von der Expansion des Universums abkoppeln und jede für sich zusammenfallen; eine ideale Voraussetzung, um Galaxien ausbilden zu können. In ihrer Bewegung zueinander wäre die Bewegung der diversen Materiezentren der des homogenen Universums identisch, der materiefreie Raumbereich um die Materieklumpungen herum würde sich gemäß der kosmologischen Raumexpansion vergrößern.

Da sich in diesem Modell jedoch von außen keine neue Materie an der bereits kondensierten anlagern kann, muß sich schon in der Anfangsphase des Universums entschieden haben, wie groß die Masse der Galaxie bzw. des Galaxienhaufens war. Daß dies so sein sollte, ist jedoch nicht gerade wahrscheinlich und wird durch nichts untermauert. Hinzu kommt der aus der Beobachtung abgeleitete Befund, daß Galaxien bzw. Galaxienhaufen nicht als einzelne Inseln im Weltall existieren, sondern vielmehr als filamentartige, fadenförmige Strukuren miteinander verbunden sind. Es sind hingegen eher die materiefreien, fast sphärischen Bereiche zwischen den Galaxienhaufen, die sogenannten `Vakuumblasen' oder Voids, weniger die Materieansammlungen selbst, die eine kugelförmige Struktur aufweisen. Dies läßt darauf schließen, daß nicht das Zusammenfallen von Materie, sondern vielmehr diese Vakuumblasen (deren Durchmesser in Größenordnungen von ca. 20-30Mpc, rund 100 Mio. Lichtjahren, liegen) für die Verteilung der Materie verantwortlich waren oder es noch sind. An dieser Stelle kommt nun die sogenannte kosmologische Konstante, die i.a. mit \Lambda bezeichnet wird, ins Spiel.

In der Allgemeinen Relativitätstheorie wurde sie ursprünglich von Albert Einstein eingeführt, um mit ihrer Hilfe einen statischen Kosmos beschreiben zu können. Als sich später herausstellte, daß der Kosmos nicht statisch ist, sondern - wie aufgrund der Rotverschiebung weit entfernter Galaxien interpretiert wurde - expandiert, verwarf er sie wieder und bezeichnete ihre Einführung als `seinen größten Fehler'. Seitdem wird unter Kosmologen über Sinn und Unsinn dieser Konstanten gestritten. Tatsache ist jedoch, daß die kosmologische Konstante eine mögliche und die einzig mögliche Verallgemeinerung der ursprünglichen Version der Einsteinschen Feldgleichung darstellt, wie im Abschnitt `Herleitung aus dem Variationsprinzip', gezeigt wird. Es ist daher möglich, daß sie gleich Null ist, aber dies kann nicht von vorn herein angenommen werden. Vor allem im Rahmen des Weltmodells von Wolfgang Priester und Mitarbeitern spielt die Kosmologische Konstante eine zentrale Rolle und vermeidet einige Probleme des Standardmodells, insbesondere den Beobachtungsbefund, daß einige Sterne und Sternhaufen älter sind, als das Standardmodell für das Alter des gesamten Kosmos vorhersagt. Im Weltmodell von Wolfgang Priester ist das Universum ca. 30 Mrd. Jahre alt und räumlich sphärisch, somit also geschlossen. Durch letzteres wird auch das `Unendlichkeitsproblem' der Standardtheorien mit \Lambda vermieden, die den logischen Widerspruch, wie aus einem unendlich kleinen Punkt oder einem innerhalb der Plancklänge von 10-33cm konzentrierten Anfangsuniversum mit einem Mal ein unendlich großes Universum entstehen soll, nicht erklären können. Priester nennt dies das extreme Urknall-Paradoxon. Das Universum von Wolfgang Priester ist räumlich geschlossen, dehnt sich aber für alle Zeiten aus (ist also nicht oszillierend); diese beiden Eigenschaften sind nur mithilfe der kosmologischen Konstanten möglich. In diesem Weltmodell ist die kosmologische Konstante eine Naturkonstante wie etwa auch die Gravitationskonstante oder die Lichtgeschwindigkeit. In einer neueren statistischen Untersuchung des Auftretens von Gravitationslinseneffekten kommt Kochanek allerdings aufgrund seiner Daten zu dem Schluß, daß die `Lambda-Dichte' \Omega_\Lambda wahrscheinlich kleiner als 0.6 ist [Astronomy,April 97], denn schon ab 0.8 müßte man bedeutend mehr Gravitationslinsen sehen. Das Weltmodell von Wolfgang Priester mit einer Lambda-Dichte von 1.08 scheint somit unrealistisch zu sein, allerdings sagt Kochanek selbst, er würde `nicht sein Haus darauf verwetten', daß - obwohl er davon ausgeht - \Lambda gleich 0 ist.

Bei aller Uneinigkeit über die kosmologische Konstante besteht zumindest Gewißheit darüber, daß ihr Zahlenwert klein genug ist, um im täglichen Leben keine Rolle zu spielen (wobei ein noch ungelöster Widerspruch der Allgemeinen Relativitätstheorie zur Quantenmechanik darin besteht, daß letztere einen um den Faktor 10100 größeren Zahlenwert voraussagt). Bislang konnte ihr noch kein allgemein anerkannter Zahlenwert zugeordnet werden, was aber noch kein Grund ist, sie von vorneherein als Null anzusehen, obwohl sie auf kleinen (eben nicht-kosmologischen) Distanzen praktisch vernachlässigt werden kann.

Die Einführung der kosmologischen Konstante hat vor allem deshalb soviel Widerstand bei den theoretischen Physikern hervorgerufen, weil sie an einem Grundprinzip der Mechanik rüttelt: In der Standardtheorie mit \Lambda=0 üben zwei masselose Teilchen auch keine Gravitationskraft aufeinander aus. Nicht so bei \Lambda\neq 0 : In diesem Fall (\Lambda>0) würden auch zwei masselose Teilchen eine abstoßende Kraft aufeinander ausüben, oder besser: sich bewegen, als ob sie voneinander abgestoßen würden. Das Konzept der Gravitationskraft wird ja in der Allgemeinen Relativitätstheorie durch das Konzept der Raumkrümmung ersetzt, eine materiefreier Raum ist in der Standardtheorie mit einem flachen, d.h. ungekrümmten, Raum verbunden. Mit \Lambda\neq 0 ist auch der materiefreie Raum gekrümmt (sog. de-Sitter Universum, siehe auch Vakuumloesung mit \Lambda und de Sitter Universum). Für massebehaftete Teilchen sind die beiden Effekte der bekannten Gravitationsanziehung und der durch \Lambda bewirkten Abstoßung (falls \Lambda>0, andernfalls ebenfalls eine Art Anziehung) überlagert. Dabei steigt der Anteil der \Lambda-Abstoßung/Anziehung mit der Entfernung, während der materiebezogene Gravitationsanteil mit der Entfernung abnimmt.

Vor allem für die Erklärung der Voids erlangt damit die kosmologische Konstante eine besondere Bedeutung: Wo weniger Materie ist, innerhalb der Voids also, dort ist ja auch der Einfluß der Abstoßung größer als in dichten Materiebereichen anzunehmen; in nahezu vollkommen materiefreien Bereichen schließlich ist ausschließlich die kosmologische Konstante für die Bewegung etwaiger vorhandener kleiner Partikel verantwortlich. Genau diesen Einfluß der kosmologischen Konstante auf die Entwicklung der Voids im expandierenden Universum zu untersuchen ist das Thema der vorliegenden Arbeit. Die gängigen Modelle nehmen entweder \Lambda=0 an oder verwenden Näherungen, in denen die kosmologische Konstante eine kaum merkliche Rolle spielt. Das hier verwendete Modell - sogenannte Tolman-Metrik mit \Lambda, siehe Abschnitt Tolman-Metrik - behandelt den allgemeinrelativistischen Fall von Staub in einer kugelsymmetrischen Verteilung. Es eignet sich somit bestens zur Beschreibung einer Vakuumblase in der Zeit nach der Rekombination. Modellrechnungen zeigen, daß sich solche Vakuumblasen - oder auch nur Regionen verminderter Dichte - im Laufe der Zeit überproportional ausdehnen und daß sich an ihren Rändern, dort wo die Vakuumregion mit dem umgebenden, homogenen Universum zusammenstößt, Außenmaterie ansammelt und verdichtet. Damit läßt sich vermuten, daß dieser Prozeß solange fortgesetzt wird, bis zwei oder mehrere solcher Vakuumblasen zusammenstoßen und sich gegenseitig in ihrer Entwicklung aufhalten. Die dann durch den Zusammenprall entstehenden hohen Materieverdichtungen bilden natürlich ideale Keime für die Galaxienentstehung. Mit dem Modell der expandierenden Vakuumblasen lassen sich letztlich die heutigen großen Strukturen hervorragend erklären - im Gegensatz zum Modell der kontrahierenden Materieklumpungen.

Bleibt nur noch der Einfuß der kosmologischen Konstanten auf diese Entwicklung zu klären: Die Rechnungen zeigen, daß die Voids - entgegen den ursprünglichen Vermutungen - auch ohne \Lambda expandieren, mit \Lambda>0 allerdings in stärkerem Ausmaß, und zwar umso stärker, desto größer die anfängliche Dichteschwankung ist. Eine materiefreie Vakuumblase würde in einem Standardmodell mit \Lambda=0 um 832% relativ zum homogenen Hintergrunduniversum expandieren (bei einer Materieverdichtung in den Randzonen von ca. 1500%), in einem vergleichbaren Modell mit \Lambda>0 aber um 1051%. Nun gibt es zum Zeitpunkt der Rekombination aber keine echten Vakuumblasen, sondern nur Dichteschwankungen. Der `Aufbläheffekt' der Voids ist hierbei dementsprechend geringer, bei einer anfänglichen Dichteschwankung von 10-3 ergibt sich bei \Lambda=0 immer noch eine Expansion von ca. 120%, mit \Lambda>0 aber immerhin 140%. Der von \Lambda hervorgerufene Unterschied von 20% ist somit nicht überwältigend groß, aber immerhin vorhanden.

Als vorläufiges Resultat ergibt sich somit, daß die kosmologische Konstante zwar nicht notwendig ist, um die heute beobachtbaren Strukturen zu erklären, aber dennoch einen merklichen Einfluß ausgeübt hat bzw. ausübt.

Übersicht

Der Text behandelt im Kapitel 2 die Grundzüge der Riemannschen Geometrie, deren Sprache und Formalismen in der Allgemeinen Relativitätstheorie Anwendung finden. Dabei wurde versucht, alle vorkommenden Begriffe aufbauend und möglichst anschaulich anhand von Graphiken zu erklären. Kapitel 3 behandelt den Anschluß der Riemannschen Geometrie an die Physik in Form der Einsteinschen Feldgleichungen. Kapitel 4 zeigt als Beispiel der Anwendung der Einsteinschen Feldgleichungen die Behandlung der `Schwarzen Löcher' im Rahmen der statischen Vakuumlösungen, wobei die dabei hergeleitete Schwarzschildmetrik auch im Rahmen der kosmologischen Behandlung von Materieklumpungen noch einmal auftritt. Kapitel 5 beschäftigt sich mit den homogenen Weltmodellen der Standardkosmologie einschließlich der kosmologischen Konstante und beschreibt die Lösungen der Einsteinschen Feldgleichungen für ein homogenes Weltmodell. Kapitel 6 schließlich behandelt einige Möglichkeiten zur Behandlung eines inhomogenen Kosmos und stellt die dazu durchgeführten Modellrechnungen vor.